Kälteschutz
Die kanusporttaugliche Kälteschutz Ausrüstung sollte sich am schlimmster anzunehmender Unfall orientieren. Bei einem Unfall können als bestimmende Bedingungen die Wassertemperatur und/oder Hindernissen auftreten. Das schönste und wärmste Sommerwetter z.B. ist völlig unerheblich, wenn man im eiskalten Gletscherfluss schwimmen muss! Ein Hindernis tut weniger weh, wenn es nicht direkt die Haut angreifen kann.
Welche Ausrüstungs-Variationen sind Verfügbar?
Die Schutzfunktion von Bermudashorts und T-Shirts ist vielleicht im Sommer auf von der Sonne erwärmten Gewässern gerade noch ausreichend. Erfolgt ein überraschender Wettersturz, wird es schnell kritisch. Auf Wildbächen ist eine solche Ausstattung inakzeptabel, da mit einer Kenterung immer gerechnet werden muss. Ein Schutz gegen Kälte und Felshindernisse, Äste etc. ist nicht vorhanden. Surfer-Shorts und Paddeljacke sind dann noch geeignet, wenn das rettende Ufer stets sofort erreichbar ist. Bei Wettkämpfen aller Art, bei der die ständige Überwachung der Wettkampfstrecke zudem ebenfalls gewährleistet ist, wird eine Ausrüstung, die die Bewegungsfreiheit möglichst wenig einschränkt, natürlich bevorzugt und die mangelnde Schutzfunktion toleriert.
Der oft beschworene Auftrieb einer Trockenjacke wird bei kräftigem Wildwasser schnell hinfällig: der Wasserdruck hat sofort die gesamte Luft aus der Jacke herausgedrückt. Fast jeder kennt das Bild, dass ein Gekenterter nach der Bergung in seiner Jacke oder seinem Trockenanzug aussieht wie in einer Vakuum-Tüte.
Cagdecks haben ihren Ursprung im Kanu-Slalom, dem Abfahrts-Rennsport und dem Freestyle. Dabei wurden die Vorteile einer Trockenjacke mit einer Spritzdecke kombiniert. Beliebt sind sie wegen der geringen Einschränkung der Bewegungsfreiheit und daher bei den vorgenannten Sportarten durchaus akzeptabel. Sie funktionieren jedoch nur, solange die Spritzdecke auf dem Süllrand ist. Tests (z.B. des AKC, vergl. „Kanugefahren“ von Horst Führsattel) und leidvolle Erfahrungen haben gezeigt, dass beim Schwimmen die Spritzdecke nach oben geschoben und der Oberkörper sofort vom Wasser umspült wird. Das eingedrungene Wasser erschwert zudem das Schwimmen erheblich. Außerdem kann man die Spritzdecke Im Notfall (z.B. wenn man mit der Decke irgendwo hängen bleibt) nicht von der Paddeljacke bzw. nicht oder nur äußerst schwer vom Körper lösen. Trotz dieser Gefahren sieht man Cagdecks heute nicht selten bei Wildwasser-Touren. Ein tödlicher Unfall in 2008, der nach sorgfältigen Recherchen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf ein solches Cagdeck zurückzuführen war, hat dazu geführt, dass Cagdecks beim Kanu-Camp nicht mehr zugelassen sind.
Trockenjacke und Trockenhose (Latzhose) sind am Bund der Jacke und am Hosenbund entgegen vielfach vertretener Meinungen nicht sicher wasserdicht! Nach Kenterung im schweren Wasser kann sehr wohl Wasser eindringen, was das schwimmen wird dann deutlich erschwert. Diese Ausrüstung bietet auch keinen Kälteschutz. Dafür ist die Fleece Bekleidung zuständig, die unter der Kombi getragen wird (werden sollte). Auch der Anprallschutz ist nur so gut, wie diese Unterkleidung es zulässt. Auch hat diese Kombination keinen Auftrieb, da der Wasserdruck je nach Beschaffenheit des Wildwassers die eingeschlossene Luft schnell herausgepresst haben kann. Trockenanzüge halten ihren
Träger in der Regel tatsächlich bis auf die innere Feuchte (Schweiß) trocken, zumindest so lange, wie die Latexbündchen an Händen, Füßen und am Hals intakt sind. Ebenso wie die vorgenannte Kombination bietet ein Trockenanzug jedoch keinen Schutz gegen die Kälte und gegen Steinberührungen.
Falsche Unterkleidung kann den Kälteschutz deutlich verringern. Es sollte also schon Fleece Bekleidung sein, die keine oder nur wenig Feuchtigkeit aufnimmt. Eine Beschädigung des Anzuges ist zwar selten (eher noch der Bündchen!), ist aber durchaus möglich, beispielsweise bei Kontakt mit im Wasser liegendem Stacheldraht oder anderen scharfkantigen Gegenständen. Ist der Anzug dann einmal vollgelaufen, wird sein Träger sich in schwerem Wasser kaum noch selbst ans Ufer retten können. Auch ein Trockenanzug hat keinen eigenen Auftrieb, die Luft wird durch den Wasserdruck durch die Bündchen entweichen.
Die klassische Neoprenbekleidung (Long-Johns, Hose und Jacke oder Long-John mit Jacke ergänzt) entsprechen dem Geschmack der jungen Kanu-Generation eher nicht und werden deshalb teilweise nur mit Wiederwillen getragen. Diese Ausrüstung hat jedoch unbestrittene Vorteile. Neoprenbekleidung ist zwar nicht wasserdicht, das Wasser, welches zwischen Neopren und Haut gelangt, erwärmt sich jedoch sehr schnell die Temperatur des Körpers und speichert die Wärme. Das funktioniert jedoch nur, wenn der Anzug richtig passt. Ist er zu groß, ist der Kälteschutz weitgehend wirkungslos. Außerdem empfiehlt sich bei kaltem Wasser und bei kühlem Wetter eine zusätzliche Paddeljacke, da die Verdunstungskälte auf Dauer auch das Neopren auskühlen lässt.
Neben einem guten Kälteschutz besitzt ein solcher Anzug auch eine gewisse Polsterwirkung gegen Steinberührungen und, was fast noch wichtiger ist, er besitzt eigenen Auftrieb. Der Auftrieb ergänzt die Wirkung der Schwimmweste ganz ausgezeichnet, aber ersetzt sie nicht!
Worum geht es bei den Schutzfunktionen?
Neben dem Schutz des Körpers vor Steinberührungen etc. geht es primär immer um den Kälteschutz. Wie viel Kälteschutz notwendig ist, hängt nicht vom Wetter oder vom Schwierigkeitsgrad des Wildwassers, sondern von der Wassertemperatur ab. Der größte Wärmeverlust erfolgt über den Kopf.
Der Ablauf eines Wildwasser-Unfalles ist in der Regel von folgenden Umständen geprägt: Es kommt zu einer Kenterung. Wenn die Umstände dies zulassen, wird jeder Paddler normalerweise bis zuletzt gegen Aussteigen und Schwimmen ankämpfen. Das Schwimmen beginnt dann also bereits unter Erschöpfungserscheinungen. In dieser Situation in eiskaltes Wasser zu fallen, bedeutet für den Körper des Gekenterten einen großen Stress. Wenn das eisige Wasser auf den ungeschützten Kopf und auf einen nur unzureichend geschützten Oberkörper trifft, wird der gekenterte auch über Wasser kaum Luft bekommen, weil der Körper in dieser Situation zur Hyperventilation neigt. Der Schwimmer hat Atemprobleme, die er nicht beeinflussen kann. Wenn nun die Ausrüstung unzureichend ist (Stoffbekleidung, Cagdeck etc.), weil sein Körper ständig vom eisigen Wasser umspült wird, schreitet die Erschöpfung schnell fort und der Schwimmer wird nach wenigen Minuten (schon nach 2 bis 3 Minuten) völlig handlungsunfähig und ertrinkt! Mit Shorty oder Cagdeck ausgerüstet, hat er keine Chance.
Es ist also sehr sinnvoll, dem Thema Kälteschutz größte Beachtung zu schenken. HINWEIS: Das gilt auch für die Retter. Ohne genügenden Kälteschutz kann ein Rettungsversuch schnell unmöglich werden oder den Retter selbst aufs höchste gefährden. Die Arbeitsfähigkeit der ungeschützten Muskulatur im kalten Wasser ist auch beim Retter nach 2-3 Minuten erschöpft. Die lokalen Bedingungen des Flusses können dem Schwimmer zusätzlichen Stress bescheren. Stufen, Walzen, scharfe Steine oder schmerzhafte Grundberührungen, Geäst im Wasser, beklemmende Schluchtwände oder Siphons können den psychischen und physischen Zustand des Schwimmers so negativ beeinflussen, dass er panisch reagiert oder sich viel schneller selbst aufgibt.